Was macht ein Sprecher?
Ein Sprecher transportiert die geschriebene in gesprochene Sprache, um es einmal ganz simpel auszudrücken. Nun unterscheiden sich Sprecher voneinander wie Äpfel im Supermarkt. Jeder Apfel sieht dem anderen Gleich und doch entscheiden wir uns für eine bestimmte Sorte. Weshalb? Das liegt an unseren Vorlieben und unseren Gewohnheiten.
Das Gehör ist einer der ersten Sinne, die der ungeborene Mensch im Mutterleib entwickelt und anwendet. So ist es nicht nur wichtig, sondern auch essenziell, dass ein hörendes, ungeborenes Baby seine direkte Umwelt wahrnimmt und verinnerlicht. Eine Besonderheit für dieses Sinnesorgan ist, dass hörende Menschen es nicht abschalten können. Das heißt, das Gehör ist im Dauerbetrieb. "Das habe ich nicht gehört!" ist leider daher keine Aussage, sondern eher eine Ausrede. Helmut Fischer hat es in seiner Paraderolle als Monaco Franze in einer Folge treffend formuliert: "Ich höre alles, was ich hören will, Spatzl!".
Woher kommt aber das Gefühl, dass hörende Menschen sagen: "Das kann ich nicht mehr hören!"?
Nun, das hörende Ungeborene entwickelt über das Hörorgan eine Bindung, Sympathie zur Mutter und der direkten Umwelt. So ist es auch mit Stimmen, die Menschen das erste Mal hören. Die Stimme gefällt oder gefällt nicht. Sei es die Tonlage, die Tonfärbung, die Betonung, die Artikulation, ein Dialekt, ein Akzent oder die Freude an Kommunikation. All diese Faktoren spielen da eine Rolle.
Kann ein Sprecher alle Ohren erreichen und somit Gefallen finden?
Nein, nicht zu 100 %, aber weitaus mehr Ohren als ein unausgebildeter Sprecher. Das liegt unter anderem daran, dass er Sprechmuster und Sprechregeln der deutschen Sprache erlernen und anwenden kann. Dazu zählt zum Beispiel die ig- Regel. Diese bezieht sich auf alle Wörter die ein "-ig" beinhalten (z. B. "völlig" oder "bestätigte") und sagt aus, dass ein "-ig" als "-ich" gesprochen wird, wenn auf "-ig" ein Konsonant oder ein Silbenschluss folgt (Beispiele: "gehuldigt" oder "Ewigkeit"). Die Aussprache "-ch" vermieden wird, wenn auf das "-ig" direkt ein Vokal folgt, oder wenn in der direkt anschließenden Silbe ein "- lich" folgt (Beispiele: "ewige" oder "königlich").
Ein kurzer Test: "bekräftigte"? Auf "-ig" folgt der Konsonant "-t", daher spricht am "-ich".
Die Süddeutschen haben sehr große Probleme mit dieser Regel, da durch die verschiedenen süddeutschen Dialekte kaum ein "-ig" als "-ich" gesprochen wird.
Ein weiterer Test für eine deutliche und überall verständliche Aussprache ist die Zahl 75. Hier könnte man gleich 3 Fehler auf einmal machen, falsch: "fümmundsübbzig". Richtig: "fünfundsiebzich".
Ein Sprecher sollte auch die Betonung und den Ausdruck dem jeweiligen Text anpassen. So werden zum Beispiel bei einem sachlichen Text, oder eines Nachrichtentextes, lediglich jede neue Information betont. Der Tonfall geht am Satzende immer nach unten. Bei einem Werbetext sieht das wiederum ganz anders aus. Hier werden mit Vorliebe die gängigen Betonungen missachtet, um Aufmerksamkeit und Einzigartigkeit zu erzeugen. Zusammengefasst heißt dies, unterschiedliche Genres erfordern verschiedene Ausdrucksformen des Sprechens.
Die Stimme des Sprechers ist das wichtigste Element für den Zugang eines jeden Gehörs. Ein Sprecher sollte sich nie anhören, als ob er ab- und vorlesen würde. Sondern als ob er zu jedem Einzelnen direkt sprechen, es erzählen würde. Das direkte Adressieren ist daher ohne visuelle Unterstützung unumgänglich und unterscheidet einen guten Sprecher von einem fesselnden Sprecher.
Was bringt mir eine Sprecherausbildung für meine Arbeit als Gebärdensprachdolmetscher?
Für das Voicen (Verdolmetschung in die gesprochene Sprache) sehe ich darin große Vorteile.
Das gute Sprechen im Zusammenhang dialektfrei, vernünftige Aussprache, vor großem Publikum zu sprechen, bringt mit Sicherheit Vorteile, um besser verstanden zu werden.
Viele Einheiten "sicher" zu Sprechen ist in der Ausbildung beinhaltet. Der richtige Umgang mit dem Mikro, richtige Atmung, ruhiges Sprechen, deutliche Aussprache, Lautstärke angepasstes Sprechen. Mit dieser fundierten Ausbildung wird Sicherheit in der Sprache vermittelt.
Diese Ausbildung schadet sicherlich nicht, um mehr Sicherheit in der Arbeitssprache "Voicen" zu legen und vor allem "verstanden" zu werden.