Gängige Dolmetschtechniken
Gebärdensprachdolmetscher werden meist zum Simultandolmetschen bestellt, dabei wird die Zielsprache in relativ kleiner Zeitverzögerung (lagtime) zum Sprecher produziert. Dem gegenüber steht das so genannte Konsekutivdolmetschen, bei dem chronologisch nacheinander verdolmetscht wird.
In manchen Situationen ist auch das so genannte Vom-Blatt-Dolmetschen als eine weitere Dolmetschtechnik gefragt, bei welcher der Gebärdensprachdolmetscher nicht Gesprochenes sondern Texte in Gebärdensprache dolmetscht. Sie findet zum Beispiel im Rahmen von Behördengängen bei der Verdolmetschung von Formularen Anwendung.
Dolmetschprozess
Der Dolmetscher nimmt die Nachricht der Ausgangssprache auf. Im Gehirn wird diese auf Inhalt und Bedeutung hin analysiert und in die Zielsprache übertragen. Berücksichtigt werden neben Inhalt und Bedeutung auch weitere sprachliche Details wie z.B. der Sprachstil.
Diese drei Prozesse laufen ab, während parallel bereits neue Informationen aus der Ausgangssprache wahrgenommen und verarbeitet werden. Trotz hoher erlernter Gedächtniskapazität erfordert der Dolmetschprozess ein so großes Maß an Konzentration, dass nicht unbegrenzt lange gedolmetscht werden kann. Je nach Einsatzart und -dauer sind daher oft mehr als ein Dolmetscher notwendig. Bei der so genannten Doppelbesetzung arbeiten wir im Team, wobei man sich abwechselt und gegenseitig unterstützt.
Dolmetschen im Team
Beim Gebärdensprachdolmetschen treten infolge der komplexen mentalen Prozesse Ermüdungserscheinungen auf. Ein hohes Maß an Konzentration muss aufgebracht, Informationen wahrgenommen, verstanden, analysiert, übertragen und in der Zielsprache produziert werden. Die Dolmetschqualität ließe folglich unweigerlich im Laufe der Zeit stark nach, stünde nur ein Dolmetscher zur Verfügung.
Aus diesem Grund wird bei langen Einsätzen zusammen im Team gearbeitet. Bei besonderen Veranstaltungen wie z.B. Kongressen besteht solch ein Team üblicherweise aus drei oder mehr Dolmetschern. Um für solche Teameinsätze entscheiden zu können, wie viele Dolmetscher benötigt werden, sind alle relevanten Informationen wie Art, Dauer sowie Ablauf der geplanten Veranstaltung wichtig.
Bei einem Einsatz in Doppelbesetzung sitzen beide Kollegen beieinander, je nach Gegebenheiten nebeneinander oder gegenüber, und sich abzuwechseln. Der passive Dolmetscher, welcher gerade nicht an der Reihe ist, bleibt weiterhin aufmerksam, um seinen aktiv dolmetschenden Kollegen bei Bedarf jederzeit unterstützen zu können. Auf diese Weise wird eine höchstmögliche Dolmetschqualität über einen relativ großen Zeitraum gewährleistet.
Doppelbesetzung bei:
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Einsätzen, die Minimum 1 Stunde dauern
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Einsätzen, die maximal 1 Stunde dauern, aber mit hoher Verantwortung und Leistung des Dolmetschers verbunden sind.
Aber auch schon kurze Aufträge von weniger als einer Stunde können zwei Gebärdensprachdolmetscher erfordern. Ein Vortrag, beispielsweise von 45 Minuten Länge und hoher Rededichte, stellt einen weit höheren Anspruch an den Dolmetscher als ein Gespräch zwischen zwei Arbeitskollegen.
Auch wenn in Doppelbesetzung gearbeitet wird, sind nach gewissen Zeitabständen Pausen zur mentalen und körperlichen Regeneration notwendig. Das Gebärdensprachdolmetschen bringt eine hochrepetitive und einseitige Muskel- und Gelenkbelastung mit sich, so dass solche Regenerationsauszeiten unbedingt genommen werden müssen, um gesundheitliche Folgeschäden vorzubeugen. Das weit verbreitete RSI-Syndrom beispielsweise kann im schlimmsten Fall gar zur Berufsunfähigkeit führen.
Die Berufs- und Ehrenordnung (BEO), welcher Gebärdensprachdolmetscher unterliegen, untersagt das Arbeiten unter Bedingungen, die einer gewissenhaften Ausübung der Tätigkeit zuwiderlaufen. Selbst die geringsten inhaltlichen Verzerrungen in der Verdolmetschung können für jeden der Beteiligten gravierende Folgen nach sich ziehen, weshalb die oben genannten Empfehlungen befolgt werden sollten, um unnötige Fehlerquellen und daraus resultierende Risiken zu minimieren.
Quellen:
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Bundesverband der Gebärdensprachdolmetscher/innen Deutschlands e.V.:Arbeitsbedingungen für Gebärdensprachdolmetscher/innen, 2002
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Vidal, Mirta:
New study on fatigue confirms need for working in teams.
In: Proteus Vol. VI, No. 1, 1997
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